Die ersten Dutzend Artikel sind geschrieben, der Arbeitsrhythmus internalisiert und das Gefühl für den gefragten Schreibstil wird nach und nach angetastet.
Der wahre Blick-Journalist wird aber nicht über Nacht geboren. Gewisse Aspekte der Arbeit müssen erst hartnäckig erlernt werden. Man entbehrt in einem ersten Stadium noch die schwungvolle Dynamik, mit der so viele erfahrenere Newsroom-Profis ihre Tagespflichten erledigen. Beispielsweise ist die bewundernswerte Fähigkeit innerhalb von gefühlten fünf Minuten 5000 Zeichen auf das weisse Blatt zu schleudern, durchaus noch «ausbaufähig». Auch das Talent in Sekundenschnelle prägnant-lustige, irgendwie polyseme und zudem aufmerksamkeitsgenerierende Titel zu kreieren, kann noch feiner geschliffen werden.
Semantische Sezierung
Doch immerhin: Man lernt schnell, auch so etwas wie produktive Kreativität. Und eigentlich ist es auch sehr erfrischend, dass verlangt wird, diese über jegliche Artikel hin zu erhalten. Vor dem Schreiben wird die Geschichte deshalb zuerst einmal semantisch seziert: Das heisst man muss sich verschiedene Fragen stellen: «Was ist der unüblichste Aspekt dieses Vorfalls?», «Welches Detail tanzt bei genauerer Betrachtung aus der Reihe?», «Welches dramatische Element steht im Vordergrund?».
Sind diese Dinge klar, geht es ans Handwerk. Und auch da sollte der kreative Gedanke stets durchschimmern. Sei es entweder durch die Titelsetzung, den Aufbau oder die Spannung des Geschriebenen.
Denn fehlt die Kreativität, ist es keine Blick-Geschichte.